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Curator's Choice: Der „große Börsenkrach“ 1873 in Wien und das Ende der Gründerzeit

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Ausgehend von einem überschwänglichen Optimismus im Zuge der Industrialisierung im Verlauf des 19. Jahrhunderts gründeten sich ab 1860 in Wien so viele Banken und Unternehmen auf Gesellschaftsbasis wie nie zuvor. Staatliche Einschränkungen gab es kaum. Die Wiener Börse erlangte damit zwar zusehends internationales Ansehen, die liberale Wirtschaftspolitik führte aber auch zu unsoliden Unternehmensgründungen. Angeheizt von kapitalkräftigen Investoren brach das auf Spekulation gebaute Kartenhaus schließlich unmittelbar und nur wenige Tage nach Eröffnung der Weltausstellung in Wien 1873 zusammen.

Im Rahmen der Ausstellungsserie Curator's Choice wird ein Einblick in die Geschichte österreichischer Wertpapiere geliefert.

Alles begann damit, dass die „k.k. privilegierte Oesterreichische Credit-Anstalt für Handel und Gewerbe“ – eine der größten österreichischen Banken dieser Zeit – nach Gerüchten aus Paris alle Börsendepots schließen ließ und Anleihen in der Höhe von zwanzig Millionen Gulden verkaufte, was zu fallenden Kursen und schließlich zu finanziellen Engpässen bei den anderen Banken führte. Noch am selben Vormittag des 9. Mai 1873 kam es zu 120 Bankeninsolvenzen. Die Wertpapierkurse stürzten ins Bodenlose. Gläubiger stürmten das Börsengebäude, das schließlich sogar von der Polizei versperrt werden musste. Unzählige Anleger und Bankkunden räumten ihre Konten oder verloren ihr gesamtes Vermögen an diesem Tag. Immer mehr Unternehmen wurden zahlungsunfähig, und das Vertrauen in die Wertpapiere und Aktien der neugegründeten Firmen sank rapide.

Die sich aus dem Zusammenbruch der Wiener Börse entwickelnde europäische Wirtschaftskrise dauerte fast zwei Jahrzehnte. Gestiegene Preise führten zu immer größerer sozialer Ungleichheit in der Bevölkerung. Nicht wenige Schuldzuweisungen richteten sich vor allem gegen die Finanzhäuser selbst und trugen zu einem Anstieg des Antisemitismus bei. 1875 kam es zu einer gesetzlichen Reglementierung der Börse durch die Einführung des Wiener Börsengesetzes, das bis zum Ende des 20. Jahrhunderts weitestgehend beibehalten wurde.

Die Ausstellungsvitrine ist ab 7. Februar 2024 zu sehen!

Bild: Allgemeine Vorschussbank, Wien, Aktie, 200 Gulden, 1873